Sozialpolitik
Auch in der Stadt Bern leben wir in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem. Eine der Notwendigkeiten für das Funktionieren dieses ausbeuterischen und ungerechten Systems ist die ökonomische Ungleichheit und somit auch die Armut. Die Kapitalist*innen brauchen die Drohung der Armut, um die arbeitende Bevölkerung zu disziplinieren und möglichst stark ausbeuten zu können. Dabei gibt es zudem Bevölkerungsgruppen, die aufgrund systematischer (beispielsweise patriarchaler, ableistischer oder rassistischer) Unterdrückung diskriminiert und dadurch noch mehr ausgebeutet werden und armutsgefährdeter sind.
Ein zentraler Punkt linker Kommunalpolitik muss es sein, diesen Auswirkungen des Kapitalismus entgegenzuwirken und dafür zu sorgen, dass die lokale Bevölkerung Instrumente erhält, um sich gegen die Ausbeutung wehren und möglichst frei entfalten zu können. Dazu gehören gute und von der Stadt kontrollierte Arbeitsbedingungen, Unterstützungsangebote und auch Präventions- und Sozialarbeit. In der Stadt Bern existieren im Schweizer Vergleich relativ viele Angebote für ihre Bewohner*innen, wobei diese in den letzten Jahren aufgrund der steigenden Nachfrage und des Kostendrucks oft an die Belastungsgrenzen gerieten und auch heute nicht ausreichend sind. Nach über 30 Jahren einer mehr oder weniger linken Mehrheit in der Berner Politik erhoffen wir uns mehr. Es braucht mehr finanzielle Ressourcen für die städtische Sozialpolitik. Die Stadt Bern muss eine aktivere Akteurin gegen Unterdrückung und Ausbeutung werden!
Wohnpolitik
Angemessener Wohnraum ist ein Menschenrecht. Unser System wird diesem Umstand jedoch nicht gerecht. Wohnraum wird als Ware angesehen, die auf dem Markt analog anderer Waren frei ausgetauscht wird. Das Problem hierbei ist, dass auf dem Wohnungsmarkt die Anbieter*innen die klare Oberhand haben, da die Nachfrager*innen grösstenteils Mieter*innen sind, die nicht einfach frei entscheiden können, keinen Wohnraum zu konsumieren. So können Immobilienbesitzer*innen die Mietpreise in die Höhe explodieren lassen, was einen beträchtlichen Teil der Haushaltseinkommen der Arbeiter*innen in der Stadt Bern frisst.
In den letzten Jahren hat die Stadt Bern eine aktivere Wohnpolitik geführt, die vermehrt auf den Kauf bestehender Wohnungen und den Bau neuer Wohngebäuden ausgerichtet ist, um sie der Spekulation zu entziehen. Die Richtung stimmt, doch trotzdem läuft in diesem Bereich zu wenig, da die Gebäude oft zu teuer gekauft werden oder der Anteil günstiger Wohnungen bei Neubauten zu niedrig ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Wohnpolitik sind die Zinsanpassungen. Theoretisch existiert im Schweizer Gesetz die Kostenmiete (die Miete soll so hoch sein, wie die Unterhaltskosten) mit einer fixen Rendite für die Vermieter*innen. Diese wird jedoch nicht konsequent umgesetzt: Die Miete wird grösstenteils nur bei Zinserhöhungen erhöht, bei Zinssenkungen jedoch nicht gesenkt. Die Mieter*innen hätten theoretisch die Möglichkeit, diesen Missstand gerichtlich anzufechten. Dies wird aber nur selten gemacht, da sich das Verhältnis zu Vermieter*innen verschlechtern könnte oder weil die Vormiete gar nicht bekannt ist. Deshalb fordern wir als JUSO:
- Mietpreiskontrollen durch die Stadt Bern zur Einhaltung des Bundesrechts bezüglich Vormiete oder Zinsanpassungen oder mindestens eine öffentlich abrufbare Datenbank mit Vormietpreisen;
- Das Housing First – Prinzip zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit in der Stadt Bern;
- Ein Vorkaufsrecht bei Gebäuden und Kauf zu besseren Bedingungen für die Stadt Bern;
- Die aktive Förderung von Wohngemeinschaften und anderen Wohnformen für Jugendliche;
- Vermietungen bei städtischen Neubauten nur zu Kostenmiete;
- Die Lockerung der zu erfüllenden Vergabekriterien für günstigen Wohnraum;
- Die Förderung basisdemokratischer Wohn- und Baugenossenschaften.
Die Stadt Bern als aktive Akteurin in der Armuts- und Ausbeutungsbekämpfung
Nicht nur Wohnkosten, sondern auch Krankenkassenprämien und weitere Lebenshaltungskosten sind in den letzten Jahren zu einer grösseren Belastung für die Arbeiter*innen geworden. Die Stadt Bern soll eine aktivere Rolle in der Bekämpfung der daraus resultierenden Armut einnehmen, indem sie neue Angebote zur finanziellen Entlastung ihrer Bevölkerung ergreift. Die österreichische Stadt Graz geht dabei beispielsweise mit einem guten Beispiel voran: der SocialCard. Diese Karte soll es Personen mit geringem Einkommen ermöglichen, von verschiedenen Vergünstigungen, Gebührenbefreiungen und Zuschüssen zu profitieren. Um Stigmatisierung zu vermeiden, könnte diese Karte auch mit der CityCard (siehe Kapitel “Sicherheit und Antirepression”) verbunden werden. Einen ähnlichen Effekt hätten dazu auch andere Angebote neben individueller Unterstützung der Ärmsten wie beispielsweise kostenlose Mahlzeiten an allen Berner Bildungsinstitutionen.
Insbesondere Menschen in der Ausbildung befinden sich in finanziell prekären Situationen. So ist zum Beispiel Lohnarbeit neben dem Studium für viele Student*innen nötig, um sich das Leben leisten zu können. Diese zusätzliche Belastung kann sich verheerend auf das Studium auswirken, welches bereits viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt. Mit der Berufsschule sind auch Lernende in einer ähnlichen Situation, wobei Lohnarbeit in ihre Ausbildung eingebaut ist. Dennoch sind sie oft mit unzureichender Vergütung konfrontiert, obwohl sie ein integraler Bestandteil der Arbeitswelt sind und Mehrwert für ihre Betriebe schaffen. Auch die Arbeitsbedingungen und insbesondere die Löhne für Praktika, ob mit oder ohne Ausbildungscharakter, sind oft unzufriedenstellend. Die Stadt Bern muss als Vorbild in diesem Bereich fungieren und dafür sorgen, dass Menschen in Ausbildung ohne finanzielle Sorgen leben können.
Allgemein sind faire Arbeitsbedingungen ein Grundpfeiler für ein gerechtes und humanes Arbeitsumfeld. Dennoch kommt es immer wieder zu Verstössen gegen Arbeitsrechte, insbesondere in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Arbeiter*innen brauchen eine niederschwellige Möglichkeit, um Missstände am Arbeitsplatz melden zu können. Dazu muss die Stadt Bern ein Arbeitsinspektorat einrichten, welches das Einhalten gesetzlicher Arbeitsbedingungen in Betrieben auf dem Stadtgebiet stichprobenartig und aktiv kontrolliert.
Um Armut und Ausbeutung konsequent beseitigen zu können, müssen wir den Kapitalismus überwinden und eine Planwirtschaft unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter*innenklasse einrichten. Dennoch müssen wir auch jetzt alles Mögliche tun, um Ausbeutung zu vermindern und Armut zu bekämpfen und fordern deshalb als JUSO:
- Die Einführung einer SocialCard in Bern zur Unterstützung ärmerer Haushalte;
- Kostenloses Mittagessen an allen Berner Bildungsinstitutionen;
- Ein Grundeinkommen für Student*innen an Berner Universitäten und Hochschulen;
- Einen städtischen Mindestlohn für Lernende und Praktikant*innen, der grundlegende Lebenshaltungskosten deckt und so die finanzielle Abhängigkeit von Eltern oder der Sozialhilfe minimiert;
- Die Einschliessung des Zweiten Arbeitsmarktes bei einem allfälligen städtischen Mindestlohn;
- Die Erhöhung finanzieller und personeller Ressourcen städtischer Fach- und Meldestellen;
- Eine anonyme Meldestelle, ausgestattet mit ausreichenden finanziellen Mitteln, für unzureichende Arbeitsstandards in den Betrieben;
- Ein städtisches Arbeitsinspektorat zur Kontrolle der Einhaltung von Arbeitsbedingungen.